Cover
Titel
Die Pfahlbauer. Am Wasser und über die Alpen


Autor(en)
Grünig, Martin; Christine, Felber
Erschienen
Bern 2013: Archäologischer Dienst des Kantons Bern
Anzahl Seiten
144 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Anne-Seline Moser

Im Zusammenhang mit der grossen Ausstellung im Bernischen Historischen Museum
2014 Die Pfahlbauer – am Wasser und über die Alpen veröffentlichte der Archäologische Dienst des Kantons Bern ein Buch unter dem gleichen Namen. Es handelt sich aber nicht um einen Ausstellungskatalog, sondern um eine Publikation, die wesentliche Elemente der Ausstellung aufgreift und weiterentwickelt. Neben den klassischen Themen der Pfahlbauten geht die Schrift auch auf die neuen Funde in den Alpen ein und berichtet über die Erkenntnisse und Fragestellungen der modernen Archäologie.

Die einzelnen Beiträge der Publikation lassen sich in vier Gruppen einteilen: Eine erste Gruppe befasst sich mit allgemeinen Aspekten der Archäologie. Daniel Gutscher und Albert Hafner machen auf neue Aspekte der archäologischen Forschung aufmerksam: Durch die Anerkennung als UNESCO-Welterbe haben die schweizerischen Pfahlbauten in der Öffentlichkeit an Prestige gewonnen; gleichzeitig stellen sich aber auch neue konservatorische Probleme. Die Geschichte der Disziplin wird im Beitrag von Jürgen Fischer aufgenommen. Im Zentrum dieser Darstellung steht die Pfahlbauromantik des 19. Jahrhunderts. Das Thema des Beitrags von Johanna Klügel zur Konservierung von archäologischen Funden ist insofern in einer Publikation bedeutsam, als dass es einen Blick über die Vitrinen des Museums hinaus erlaubt und auf die wichtigen Arbeiten im Hintergrund aufmerksam macht. Armand Baeriswyl informiert unter dem Titel Wie funktioniert die Archäologie? über die technischen Hilfsmittel und naturwissenschaftliche Methoden wie die Radiokarbondatierung und die Dendrochronologie, aber auch über die Strategien bei Ausgrabungen.

Eine zweite Gruppe von Beiträgen befasst sich konkret mit einzelnen Fundstellen. Im Beitrag von Albert Hafner stehen die Pfahlbauten an den Seen und in Mooren im Vordergrund. Neben einem kurzen Exkurs zur Fundgeschichte informiert der Autor vor allem über die Fundorte am Bielersee und die Entwicklung der Interpretation.

Derselbe Autor berichtet in einem anderen Beitrag über die frühbronzezeitlichen Gräber der unteren Thunerseeregion. Mit einer Fundkarte und Fotografien von gefundenen Objekten gibt der Autor auch hier einen interessanten ersten Einblick in die noch wenig bekannte Archäologie des Alpenraumes. Daran schliesst sich das Kapitel über die Funde am Schnidejoch an, ebenfalls von Albert Hafner. Die Fundübersicht aus verschiedenen Epochen vermittelt wiederum einen sehr anschaulichen Einblick in den kulturellen Wandel im Mikrokosmos des Schnidejochs und veranschaulicht die rege Nutzung der Alpen und der Alpenpässe über die Jahrtausende.

In einer dritten Gruppe lassen sich Texte subsumieren, die einen Überblick zum aktuellen Forschungsstand zu den Entwicklungen des Neolithikums und der frühen Bronzezeit vermitteln. In Das Leben am See – Wirtschaft, Haus, Handwerk, Verkehr, Austausch von Peter J. Suter geht es um die materielle Kultur der Menschen dieser Zeit. Mit viel Dokumentationsmaterial, Grafiken und kurzen Texten wird die Neolithische Revolution eindrücklich und lebendig dargestellt. Schliesslich verweist der Autor auf die Funde, die der Jagd und der Fischerei zuzuordnen sind. Neben den Vergleichen von älteren und neueren wissenschaftlichen Theorien berichtet Peter J. Suter auch über Werkzeuge, Hausbau und über die ersten Metallgegenstände aus Kupfer und Bronze. Erwähnenswert ist zudem ein Beitrag, der die Bedeutung der Pfahlbauer für die schweizerische Geschichtsschreibung und die nationale Identität des 19. Jahrhunderts kritisch aufarbeitet.

Unter dem Titel Fundgeschichten werden im Schlussbeitrag einzelne herausragende Funde näher beschrieben und abgebildet, so eine Tonschüssel, ein Brot, ein Korb, ein Bogenfutteral, ein Teil einer Lederhose, Steinbeile, Schuhe, Schmuck und ein Einbaum.

Neben einem gut verständlichen Text weist der Band zahlreiche Illustrationen auf. Ikonografisch sind hier folgende Kategorien zu unterscheiden: Die romantische Historienmalerei des 19. Jahrhunderts finden wir in verschiedenen Beiträgen, so etwa von Jean-Baptiste Arnout (1830), Auguste Bachelin (1867), Albert Anker (1873, 1886) und Hippolyte Coutau (1896). Im Text hätte man sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Bildgattung gewünscht. Eine andere Kategorie umfasst moderne Rekonstruktionszeichnungen, so die Dorfanlage von Sutz-Lattrigen, Südufer Bielersee, Konstruktionstypen von Häusern, Alltagsleben usw. Verschiedene Karten verweisen auf die Zusammenhänge mit Erscheinungen in Europa und im Mittelmeerraum. Der Band betreibt weder räumlich noch zeitlich eine bernische Nabelschau: Im Kapitel 9 unternimmt Martin Grünig unter dem Titel Wo in der Geschichte stehen die Pfahlbauer? den gelungenen Versuch, die Pfahlbauer in einen gesamthistorischen Zusammenhang von langer Dauer zu stellen.

Sowohl der aktuelle bernische Lehrplan als auch der Lehrplan 21 verweisen auf die Archäologie und ihre Bedeutung für die Schule, insbesondere die Primarschulstufe, wobei hierfür das Verständnis für die Fragestellungen und Arbeitsweisen von Archäologinnen und Archäologen wichtig ist. In einem kurzen Abschnitt informieren die Autoren des Bandes über die Entwicklung des Pfahlbauerbildes in der Schule zwischen 1867 und heute. Eine Fundgrube für Lehrpersonen sind die zahlreichen Informationen zur Alltagsgeschichte, insbesondere zur Technikentwicklung, zu Bauen und Wohnen, zum Getreideanbau. Sie sind didaktisch von grosser Bedeutung, da sie eine Verknüpfung mit der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler in den grundlegenden Fragen wie Nahrungserwerb, Unterkunft, Mobilität und Handel ermöglichen. Für Lehrpersonen vermittelt die Publikation des Archäologischen Dienstes zwar nicht fertige Unterrichtspräparationen, aber eine Fülle von Informationen und Anregungen sowie von anschaulichen Bildern, Grafiken und Karten.

Zitierweise:
Anne-Seline Moser, Bern / Daniel V. Moser-Léchot: Grünig Martin; Felber Christine (Koord. und Red.): Rezension zu: Die Pfahlbauer. Am Wasser und über die Alpen. Bern: Archäologischer Dienst des Kantons Bern 2013. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 2, 2015, S. 63-65.

Redaktion
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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 2, 2015, S. 63-65.

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